Slow Food

«Wenn es gelingt, ist es wie ein gutes Buch – das man gemeinsam liest»

Giulia und Francesco von Mani e Vini

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Wir freuen uns riesig, dass Francesco und Giulia von Mani e Vini unser erstes Orizzonte-Camp im Tessin kulinarisch begleiten.

Die beiden sind ein junges Kochduo aus der Region Lugano–Comer See, das mit Herz, Intuition und einem feinen Gespür für Aromen arbeitet. Ihre Küche verbindet Tradition mit Neugier, Handwerk mit Gefühl – jedes Gericht erzählt eine kleine Geschichte.

Ob über dem Feuer, mit fermentierten Zutaten oder ganz schlicht mit bestem Gemüse: Was sie auf den Teller bringen, lebt von Begegnung, Saison und echtem Geschmack.

Wir haben Francesco und Giulia ein paar Fragen gestellt – über ihre Herzensgerichte, ihre Art zu kochen und was für sie zeitgenössische Küche bedeutet.

Wie wählt ihr eure Zutaten aus? Gibt es ein Gebiet, das ihr besonders als Eures empfindet?

Die Wahl der Zutaten ist für uns wie ein Fenster zur Welt. Es geht nie nur um eine technische Entscheidung, sondern immer auch um einen Moment des Zuhörens. Wir hören auf die Jahreszeiten, auf das langsame Tempo unserer Produzent*innen, auf die Stimmen derer, die anbauen, ernten, verarbeiten.

Wenn wir an einem neuen Ort kochen, halten wir zuerst inne. Wir schauen uns um, versuchen zu verstehen, was hier wächst, was die Menschen hier schon immer essen, welche Düfte zu diesem Ort gehören. Und dann gehen wir auch darüber hinaus.

Für uns ist «Territorium» ein sich öffnender Horizont: Wir fühlen uns nicht nur einem bestimmten Landstrich verbunden, sondern lassen uns von Vielem faszinieren. Jede Küche schenkt uns etwas – eine Geste, eine Zutat, eine Kombination – und aus jedem Element entsteht eine neue Geschichte, die wir auf unsere eigene Art erzählen.

Tessin Mani e Vini

Was sind eure Herzensgerichte – die, die Euch am meisten repräsentieren?

Francesco: Meine Herzensgerichte schmecken nach Sonntag. Nach diesen langen Tagen, an denen man schon morgens mit dem Kochen beginnt und das Haus sich mit vertrauten Stimmen und Gerüchen füllt. Lasagne – heiss und üppig, mit knusprigen Ecken und einem weichen Kern. Oder Ricotta-Schokoladen-Kuchen, noch warm, wenn es draussen schon früh dunkel wird.

Giulia: Für mich entstehen Herzensgerichte an geteilten Tischen, wenn jede*r etwas mitbringt – oft ohne grossen Plan – und am Ende entsteht eine Sinfonie aus Beilagen, improvisierten Speisen, voller Sorgfalt.

Mein Beitrag ist oft ein Salat – aber kein gewöhnlicher: Mit Ruhe ausgewählte Blätter, ein spontanes, leuchtendes, duftendes Dressing, das alles miteinander verbindet wie eine Umarmung.

Zu den Gerichten, die uns am meisten repräsentieren, gehört eine Linguine mit Tomate, Himbeeren und Schnittlauchöl – ein spätsommerliches Gericht, wenn der Sommer süss wird und der Herbst leise anklopft. Dann gibt es noch die Ravioli del Plin, gefüllt mit Schwein und Garnelen, serviert mit einer Krustentier-Bisque und einem Hauch Kokosmilch – ein Treffen zwischen den Langhe und Asien, zwischen Brühe und Gewürz, zwischen Zuhause und Anderswo.

Wenn Mani e Vini ein Gericht wäre – welches wäre es?

Es wäre ein Pizzateig, geknetet von vielen verschiedenen Händen. Hände, die kneten, berühren, teilen. Kein einzelnes, sondern ein vielschichtiges Gericht voller Begegnungen.

Ein Teig, der langsam aufgeht, durchdrungen von Geschichten und Lächeln.

Teller Mani e vini

Was bedeutet für euch «zeitgenössische Küche»?

Wir verstehen zeitgenössische Küche als eine Übung in Aufmerksamkeit. Sie ist die Art und Weise, wie wir heute in der Welt stehen – durch das, was wir auf den Teller bringen.

Das heisst: sorgfältig auswählen, woher die Zutaten kommen, wer sie uns bringt, was sie hinter sich lassen.

Es bedeutet, Essen als bewussten Akt zu begreifen – für unsere Gesundheit, aber auch für die des Planeten.

Ein empfindliches Gleichgewicht zwischen Genuss und Verantwortung, zwischen Erinnerung und Gegenwart.

Wenn ihr für ein privates Dinner kocht, wie ihr es auch bei uns tun werdet – womit beginnt ihr bei der Menügestaltung?

Wir beginnen damit, uns den Tisch vorzustellen. Wir setzen uns – sei es nur im Kopf – und fragen uns: Worauf hätten wir an diesem Abend Lust?

Dann beginnen wir, das Ereignis zu erzählen, Bilder auszutauschen, Düfte, Eingebungen. Und nach und nach nimmt das Menü Form an.

Es entsteht wie ein Gespräch, wie eine Geschichte, die von mehreren Stimmen geschrieben wird. Jeder Gang ist ein Kapitel, jeder Geschmack ein Charakter. Und wenn es gelingt, ist es wie ein gutes Buch – das man gemeinsam liest.

Zucchini mani e vini

An unserem Yoga, Hike or Bike & Slow Food Camp «Orizzonte» im Tessin wirst Du jeden Abend von einem anderen Köch:in bekocht.
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